Auf natürliche Weise schön zu sein, ist ein sorgsam gepflegtes Ideal. Auch für Männer. Das freilich heisst überhaupt nicht, dass man als Mann nicht schlank und nicht muskulös sein sollte. Denn das, was wirklich natürlich ist, will natürlich kein Mensch sehen. Mit anderen Worten: Die Erscheinung bitte perfekt, aber es soll unangestrengt wirken. Eben: natürlich. Dieses Konzept, dass die harte Arbeit an der Attraktivität sich auf gar keinen Fall verraten darf, ist ein neuer popkultureller Leitwert. Der frappierende Ausmasse erreicht etwa in der Idee von «Normcore»: einem modischen Ideal, wonach man aussieht, als hätte man sich gerade mal zwanglos irgendwas übergezogen. Wofür man riesigen Aufwand betreibt.
So geht Normcore. Quelle: Asos/Youtube
Für Männer ist beispielsweise die Idee des «Dadbod» so eine Form von artifizieller Natürlichkeit. Dieser Begriff, der dank der Beschleunigung der Spätmoderne bereits wieder in der Vergessenheit versinkt, wurde letztes Jahr in der angelsächsischen Welt popularisiert durch den kurzen Essay einer Studentin namens Mackenzie Pearson unter dem Titel «Why Girls Love The Dad Bod». In diesem Machwerk, inzwischen über eine halbe Million mal online geteilt, definiert Frau Pearson den Dadbod als «gelungene Balance zwischen Training und Pizza». Der Dadbod ist der Körper eines Mannes, der sich körperlich zwar regelmässig übt und ertüchtigt, aber auch gegen ein durchzechtes Wochenende nichts einzuwenden hat. Von der Erfinderin ward das Phänomen wie folgt zusammengefasst: «Es handelt sich nicht um einen dickleibigen Typen, aber auch nicht um einen mit Waschbrettbauch.» Also so ungefähr wie Channing Tatum, nachdem er Vater geworden war. Mackenzie Pearson greift damit das richtige Argument auf, dass bei einem bestimmten männlichen Konstitutionstyp (und nur bei diesem) ein wohlgeformter Bauch (wohlgemerkt: keine Wampe) durchaus zur Proportion passt. Das ist nicht fair, aber wahr.
Die ganz natürliche Wampe
Apropos Wampe: «Natürlichkeit» steht auch – immer noch – für eine institutionalisierte Körperentfremdung des Mannes im akademischen Milieu, wo es immer noch «natürlich» scheint, dass Männer ab den mittleren Jahren beispielsweise ziemliche Wampen vor sich herschieben und ziemlich untrainiert sind. Dieses Phänomen illustriert die Ungleichzeitigkeit von männlichen Körperbildern in der Spätmoderne: Jenseits des Prekariats sind die einzigen Männer, die sich noch gehen lassen (dürfen): Akademiker, sowohl Natur- wie Geisteswissenschaftler. Schon bei Politikern geht das nicht mehr, auch wenn hier der deutschsprachige Raum noch mehr Hässlichkeiten durchgehen lässt als etwa der angelsächsische. Am wenigsten Hässlichkeiten durchgehen lässt, sowohl bei Frauen wie bei Männern, Donald Trump, der selbst übergewichtig und nicht eben hübsch ist.
Akademiker haben also interessanterweise immer noch regelmässig ein stark tabuisiertes Verhältnis zur Leiblichkeit. Besonders zu ihrer eigenen. In diesem Milieu findet immer noch eine stillschweigende Verleugnung und Abwertung des Körperlichen statt, denn Körperlichkeit assoziiert das akademische Milieu offenbar gern und hartnäckig mit: sprühgebräunt, tätowiert und bildungsfern. Dafür finden sich dann in dieser Sphäre Exemplare schön, die aussehen wie Richard Precht.
Der Beitrag Müssen Männer schön sein? erschien zuerst auf Blog Magazin.